In dieser fortlaufenden Artikelserie informieren wir Sie über die Möglichkeiten und Chancen von gut geplantem Einkaufsmanagement
„Richtig“ einkaufen in Krisenzeiten
Teil 2: Wertschöpfungsnetzwerk in der Praxis
Während wir uns im ersten Teil dieser kleinen Serie damit befasst haben, warum ein ganzheitliches operatives Einkaufsmanagement gerade in Zeiten der Corona-Krise so wichtig ist, und welche Möglichkeiten externe Schlüsselpartner in diesem Bereich bieten, geht es nun um das Versorgungskettenmanagement („Supply Chain Management“).
Die „richtige“ Ware
Ausgangspunkt der Materialbedarfsermittlung stellt die Menü-/ Speisenplanung dar, die auf die einzelnen Zielgruppen und das Anforderungsprofil des angestrebten gastronomischen Leistungsangebotes ausgerichtet werden muss. Die sich daran anschließende Sortimentsentscheidung (Artikelspezifikation) legt fest, welche und wie viele unterschiedliche Waren für die Leistungserbringung benötigt werden und welche Qualitätskriterien erfüllt werden müssen.
Dabei ist die Frage nach der „richtigen“ Ware äußerst vielschichtig zu beantworten, da hier nicht nur die eigentlichen Tischgäste die Nachfrage und deren wechselnde Trends vorgeben, sondern auch weitere Einflussgruppen wie die Geschäftsführung sowie z.B. gesetzliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind:
Abb. 2: Strategischer Schlüsselprozess „Einkauf“
Die „richtige“ Ware ist dabei nicht immer die preisgünstigste Ware. Die Wirtschaftlichkeit eines Kaufartikels definiert sich vielmehr erst aus der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung eines Gastronomiebetriebes unter Vollkostenaspekten. Beispiel: Die Verwendung unterschiedlicher Fertigungsgrade (Convenience-Stufen) der bezogenen Lebensmittel bestimmt die Gesamtwirtschaftlichkeit des Gastronomiebetriebes wesentlich. Ein geringer Fertigungsgrad geht zwar vielfach mit geringeren Einstandskosten einher, ist jedoch aufgrund des höheren Fertigungsaufwandes in der Produktion mit höheren Personalkosten verbunden (z. B. Bezug geschälter, geschnittener und vorgegarter gegenüber nicht geschälten Kartoffeln). Eine reine Preisorientierung der Kaufentscheidung würde diesen Aspekt und damit die Gesamtwirtschaftlichkeit des Verpflegungsbetriebes außer Acht lassen. Gleiches gilt für die Auswahl der „richtigen“ Produkte unter Erlösaspekten: Mit einer höherwertigen Kaffeesorte lassen sich gemeinhin höhere Erlöse und damit Deckungsbeiträge erwirtschaften als mit einem vermeintlich günstigen Kaffee. Nochmals weiter gedacht greifen ähnliche Überlegungen bei der Frage, ob tatsächlich nur eine bestimmte Kaffeesorte beschafft werden soll oder ob nicht besser, z.B. in der Gemeinschaftsgastronomie, ein professionelles Coffeebar-Konzept integriert wird.
Besonders systemgastronomisch ausgerichtete Verpflegungs- und Gastronomiebetriebe nutzen die Möglichkeit internetbasierter Einkaufsportale, Sortiments- und Produktvorgaben als abgegrenzten Warenkorb bereitzustellen, so dass auch weniger qualifizierte Mitarbeiter laufende Bestellungen für ihren Arbeitsbereich eigenverantwortlich durchführen können. Alternativ können auch Menü-/ Speisenpläne und damit verknüpfte Rezepturen und Zutatenstämme vorgegeben werden. Aus Sicht des Gastronomiemanagers können somit systemgastronomische Vorgaben optimal umgesetzt werden. Die Vorteile einer entsprechenden Angebotsspezifikation gehen dabei weit über die angestrebte (Gesamt-)Wirtschaftlichkeit der Einkaufsentscheidung hinaus:
- Die Qualitätsvorgaben des Kunden werden gesichert und täglich umgesetzt.
- Lieferanten können als Systempartner entwickelt und im EDV-System hinterlegt werden, die kundenseitige Qualitäts- und Prozessvorgaben in passende Produkte umsetzen.
- Die Innovationskraft der Industrie kann für eigene spezifische Aufgaben gezielt entwickelt und genutzt werden.
- Die Lieferanten können besser disponieren und daraus entstehende Kostenvorteile an den Kunden weiterreichen.
- Eine hinreichende Angebotsspezifikation ist eine Grundvoraussetzung für weitere Optimierungsmaßnahmen (z. B. Volumenbündelung).
Die „richtige“ Menge
Neben der reinen Preisstellung der bezogenen Produkte nimmt besonders die Warendisposition eine Schlüsselstellung bei der Optimierung der Wareneinsatzkosten ein. Praxiserfahrungen zeigen, dass durch den täglichen Schwund und die Überproduktion aufgrund einer unzureichenden Warendisposition wie auch der fehlenden Anwendung von Rezepturen im Produktionsprozess, Mehrkosten von bis zu 10 % der geplanten Wareneinsatzkosten je Gast entstehen können.
Die Warendisposition erfolgt in der Praxis vielfach mindestmengengesteuert nach dem First in / First out-Prinzip (FIFO), d.h. die zuerst gekauften Waren werden auch zuerst verbraucht und Nachbestellungen werden erst nach Unterschreitung eines definierten Mindestbestandes vorgenommen. Alternativ können Bestellungen auch auf der Basis von Planmengen erfolgen, die sich wiederum aus dem Menü-/ Speisenplan mit dahinter liegenden Rezepturen ableiten. Über das EDV-System werden auf dieser Basis Bestellvorschläge generiert, die vom Nutzer ggf. nur noch geringfügig angepasst werden müssen. Dies verringert den Dispositionsprozess und das Dispositionsrisiko erheblich, da die Bestellungen nunmehr direkt auf den vorgegebenen Rezepturen des Speisenangebots basieren.
Unterstützung bei der Warendisposition sowie Produktionsplanung erhält der Gastronom mittlerweile auch durch entsprechende internetbasierte Anwendungen, welche Absatzprognosen für gastronomische Betriebe generieren, um deren Einkauf zu optimieren. Der Prognose-Algorithmus kombiniert mittels künstlicher Intelligenz historische Daten des gastronomischen Betriebs mit weiteren externen Faktoren zur Berechnung zukünftiger Verkaufszahlen.
Wesentliches Ziel der Warenwirtschaft ist darüber hinaus die Minimierung der Lagerbestandsmengen und damit verbunden der Lagerkapitalkosten. Der Lagerbestand wird über die Inventur erfasst. Ohne die Unterstützung elektronischer Einkaufs- und Warenwirtschaftssysteme ist eine Inventurerfassung heute ebenfalls kaum mehr wirtschaftlich durchführbar.
Der „richtige“ Zeitpunkt
Um die Folgekosten für die Lagerhaltung zu reduzieren, erfolgt die Anlieferung der bestellten Waren heute bedarfsgerecht, d. h. „just-in-time“. Die Lieferzyklen werden dementsprechend EDV-seitig hinterlegt und vorgegeben:
- Tägliche Anlieferung der überwiegend benötigten Lebensmittel direkt in die Produktion zum fest vereinbarten Zeitpunkt.
- Wöchentliche Anlieferung von Artikeln, die längerfristig bevorratet werden (z. B. Trockenwaren).
Abweichend hiervon können die Lieferzyklen in Abhängigkeit vom Produktionsverfahren bzw. Produktmix variieren.
Die Einhaltung der Liefer- und Qualitätsvorgaben durch die Lieferanten wird im Rahmen der Lieferantenbewertung laufend dokumentiert und sollte folgende Bewertungskriterien mindestens umfassen:
- Häufigkeit von Qualitätsabweichungen (Reklamationen)
- Bearbeitung von Reklamationen durch den Lieferanten
- Pünktlichkeit / Einhaltung der Lieferzeiten
- Sortimentsbreite und –tiefe
- Reaktionszeit bei Anfragen
- Erreichbarkeit / Kontaktaufnahme
Der Erfüllungsgrad der hier genannten Kriterien wird z.B. über ein Punktesystem laufend erfasst und einmal jährlich zusammengefasst. Sofern eine Mindestpunktzahl nicht erreicht wird, ist ein Lieferantenaudit erforderlich.
Im kommenden Teil werden wir uns mit dem „richtigen“ Preis befassen.
Weitere Informationen hierzu unter einkauf@sundf-gruppe.de oder per Telefon: 02941-66048-412.
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