von Professorin Dr. Linda Chalupová / Marcus Seidl

erschienen im medhochzwei Verlag GmbH  Management Handbuch Krankenhaus – Online Artikelnummer: management-handbuch-krankenhaus-online-86216028001

Abstract : Eine Recherche zur nachhaltigen Verpflegung in deutschen Krankenhäusern weist darauf hin, dass dieses Thema bis jetzt eher wenig Berücksichtigung findet. Dabei hat die Verpflegung aufgrund der hohen Anzahl der zu verpflegenden Personen einen wesentlichen Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung, die zudem verstärkt durch gesetzliche Anforderungen fixiert wird. Durch eine Optimierung von Menüs, der Infrastruktur sowie von Abläufen kann die Verpflegung nachhaltiger gestaltet werden. Jede Einrichtung ist angehalten eine individuelle Potentialanalyse durchzuführen, aus der eine auch wirtschaftlich sinnvolle Strategie aufzustellen ist. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist kontinuierlich anhand von Kennzahlen zu überprüfen.

1.    Ausgangslage

1.1   Bedeutung nachhaltiger Entwicklung

Die Erforderlichkeit einer nachhaltigen Entwicklung resultiert aus mehreren Gegebenheiten. Hierzu zählen insbesondere die globalen klimatischen Änderungen, die Ressourcenverfügbarkeit beeinträchtigen und weitreichende Umweltherausforderungen nach sich ziehen. Daraus ergeben sich ökologische, ökonomische sowie soziale Konsequenzen für die heutige sowie die nachkommenden Generationen. Konkret ist die Rede unter anderem von der Endlichkeit und der Erschöpfung von Ressourcen, Begrenztheit landwirtschaftlicher Nutzfläche, von existenziellen Herausforderungen wie Hunger, Armut, Migration und mangelnde medizinische Grundversorgung sowie eingeschränkte Versorgung mit Ressourcen wie Wasser, Energie.

Das globale Ernährungssystem trägt zur Erforderlichkeit einer nachhaltigen Entwicklung mit einem wesentlichen Anteil durch insbesondere folgende drei Aspekte bei. Erstens, durch das Ernährungssystem werden ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verursacht[1]. Zweitens, die hohen Mengen an entsorgten Lebensmittelabfällen führen zum erhöhten Bedarf an Ressourcen und verstärken damit Mangel an Lebensmitteln insbesondere in Dritt- und Schwellenländern. Die hohen Mengen an Lebensmittelabfällen sorgen zudem für ca. 8-10 % ernährungssystembedingten CO2-Emissionen.[2] Drittens, die ernährungsbedingten Erkrankungen nehmen immer mehr Raum ein und beeinträchtigen die Gesundheit von den zu verpflegenden Personen sowie Beschäftigten.[3]

Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung besteht darin, Gesellschaft und Wirtschaft so zu gestalten, dass die Lebensbedingungen der heutigen Generationen verbessert, jedoch ohne, dass die Lebenschancen der künftigen Generationen dadurch beeinträchtigt werden[4]. Die Zusammenhänge sind weitaus komplexer, mehrdimensional und durch viele Wechselwirkungen gekennzeichnet, so dass von einer gesellschaftlichen Transformation Richtung nachhaltige Entwicklung gesprochen wird. Diese setzt eine gemeinsame Anstrengung aller Akteure, somit auch der Krankenhäuser und der verpflegenden Betriebe, voraus.[5]

1.2   Krankenhauslandschaft und deren Einfluss auf nachhaltige Entwicklung

Nach der aktuellen Studie Krankenhausverpflegung des Deutschen Krankenhausinstituts DKI und der K&P Consulting rangiert das Thema Nachhaltigkeit nach den Themen Hygiene/HACCP, Speisen- und Servicequalität und Kostenoptimierung erst an vierter Stelle.[6] Höchste Priorität wird damit aktuell der Nachhaltigkeit der Verpflegung nicht gewidmet. Bei derzeit knapp 1.900 Kliniken in Deutschland mit insgesamt rund 120 Millionen Belegungstagen pro Jahr besitzt die kulinarische Versorgung der Patienten, Beschäftigten in Krankenhäusern sowie Personen, die Patienten besuchen, ein hohes wirtschaftliches, aber auch gesundheitspolitisches Potential. Der Studie zufolge sind die Krankenhausküchen in Deutschland mit einem durchschnittlichen Alter von knapp 25 Jahren baulich und technisch stark modernisierungsbedürftig. Der überwiegende Teil der Küchen (> 50 %) wird in Eigenregie geführt, die Warmverpflegung (Cook & Serve/ Cook & Hold) ist das am meisten (> 60 %) praktizierte Produktionsverfahren.  Die Gesamtkosten der Verpflegung in deutschen Krankenhäusern liegt bei rund 16 Euro je Beköstigungstag (BKT)[7]; davon entfällt ein Drittel, 5,50 Euro, je BKT auf den Lebensmitteleinsatz. Bei der Berücksichtigung und Umsetzung nachhaltiger Aspekte im Verpflegungsangebot ist eine vollwertige vegetarische Alternative nach eigenen Angaben bereits umgesetzt. Vegane Speisenalternativen sind ebenso wie fleischfreie Tage oder der Einsatz von Lebensmitteln aus biologischem Anbau bisher lediglich teilweise umgesetzt. Eine Bio-Zertifizierung der Produktionsstätte ist vom Großteil der Kliniken (82%) derzeit nicht geplant.

Zudem müssen in deutschen Krankenhäusern rund 40 % der gekauften und verarbeiteten Lebensmittel wieder kostenpflichtig entsorgt werden. (Quelle Delegate Group und United against waste).[8]

1.3   Gesetzliche Anforderungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung

Können wir uns darauf verlassen, dass Krankenhäuser Anforderungen an nachhaltige Entwicklung freiwillig umsetzen? Die Vergangenheit zeigt, dass zusätzliche Instrumente in Form von rechtlichen Anforderungen benötigt werden, um Verbindlichkeiten und Anreize zu schaffen.

Die Komplexität des Themas Nachhaltigkeit wurde bis jetzt durch den Gesetzgeber so abgebildet, dass es eine Anzahl an verschiedenen gesetzlichen Anforderungen gibt, die die einzelnen Nachhaltigkeitsaspekte fokussieren. Das Ziel ist, Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung zu fördern und zu fordern.

Für Krankenhäuser ergeben sich eine Reihe an Anforderungen an eine nachhaltige Gestaltung von Prozessen, Strukturen, Anlagen und Produkten, die die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit umfassen. Als wesentliche gesetzliche Anforderungen werden nachfolgend das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) sowie das Verpackungsgesetz (VerpackG) kurz im Kontext von Verpflegung in Krankenhäusern erläutert.

  • Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG)

Das im Jahr 2021 novellierte Gesetz beinhaltet unter anderem Ziele für eine schrittweise Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Im Jahr 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein. Die konkreten Treibhausgasreduktionsziele für den Krankenhausbereich müssen noch in untergesetzliche Vorgaben verankert werden.

Dennoch gilt es rechtzeitig mit Erfassung und Reduktion von Treibhausgasemissionen anzufangen, z. B. bei der Menüplanung, indem pflanzenbasierte, saisonale und regionale Lebensmittel bevorzugt eingesetzt werden. Auch eine energieeffiziente Küchentechnik spielt für die Reduzierung von CO2-Emissionen eine wichtige Rolle.

  • Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Dieses Gesetz fokussiert die Verbesserung der Menschenrechtslage in Lieferketten, indem Arbeitsschutz- und Umweltschutzstandards eingehalten und durch Verpflegungsbetriebe in Krankenhäusern gefördert werden sollen. Aus diesem Gesetz ergeben sich Anforderungen an ein Risikomanagementsystem, an ein Frühwarnsystem sowie neue Dokumentationspflichten, die zu Lieferketten des jeweiligen Krankenhauses etabliert werden müssen. Hierbei sind beispielsweise die Fragen nach dem Ursprung der eingesetzten Lebensmittel relevant.

Die Komplexität der Umsetzung des Gesetzes wächst mit der Komplexität der Lieferketten. Deshalb gewinnt in diesem Kontext das Thema Regionalität an Bedeutung.

  • CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG)

Dieses Gesetz umfasst Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Aktuell gilt das Gesetz nur für große, kapitalmarktorientierte Krankenhäuser.

Auf der europäischen Ebene wird aktuell eine Erweiterung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten verabschiedet. Diese erweiterten Berichtspflichten und neue Standards werden durch die sogenannte CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) definiert und auch kleinere Krankenhäuser, unabhängig von der Kapitalmarkorientierung, ab dem Jahr 2024 bzw. dem Jahr 2025 in die Pflicht nehmen. Für Krankenhäuser, die unter den Anwendungsbereich dieser gesetzlichen Anforderung fallen, bedeutet das, transparent und kontinuierlich aufzuzeigen, wie sie nachhaltige Entwicklung strategisch und operativ umsetzen.

Aktuelle Recherchen ergeben, dass nur wenige Krankenhäuser über Nachhaltigkeit öffentlich berichten. Bisher haben dies nur die Krankenhauskonzerne getan, die aufgrund ihrer Börsenzugehörigkeit eine Berichtspflicht zum Thema Nachhaltigkeit satzungsgemäß verankert haben. Darüber hinaus haben sich bereits einzelne Universitätskliniken sowie die kirchlichen Träger mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Letzteres vorwiegend mit sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit. Grundsätzlich liegt jedoch der Fokus auf dem Bereich des Klimaschutzes. Um den Anforderungen der neuen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichtserstattung rechtzeitig und vollumfänglich gerecht zu werden, ist es von Vorteil, nicht auf das Inkrafttreten der gesetzlichen Vorgaben zu warten, sondern bereits heute die notwendigen Schritte einzuleiten, z.B. die entsprechenden Daten zu erheben und mittels Kennzahlen zu überwachen. Denn abgesehen von gesetzlichen Anforderungen sind es die verschiedenen Stakeholder, die ein Interesse an Nachhaltigkeitsaktivitäten von Einrichtungen haben.

  • Verpackungsgesetz (VerpackG)

Das Ziel des Verpackungsgesetzes ist es, das Verpackungsabfallaufkommen zu reduzieren. Hierzu soll unter anderem die sogenannte Mehrwegangebotspflicht zum 1.1.2023 in Kraft treten. Demnach muss Gästen einer Außer-Haus-Einrichtung die Wahlmöglichkeit eingeräumt werden, ein Getränk oder ein Menü in Einweg- oder in Mehrweggeschirr mitnehmen zu können. Für Verpflegungsbetriebe heißt es, ihr Einwegsortiment für die „To-Go-Verpflegung“ zu prüfen und geeignete Mehrwegalternativen in ihr Sortiment einzuführen. Angebote für entsprechende Mehrwegsysteme sind auf dem deutschen Markt bereits vorhanden.

Die oben genannten gesetzlichen Anforderungen auf der nationalen Ebene basieren auf internationalen gesetzlichen Vorgaben und deuten darauf hin, dass nachhaltige Entwicklung zukünftig viel stärker durch den Gesetzgeber gefordert und die Verpflegungsbetriebe ihre Verantwortung auch grenzenübergreifend übernehmen müssen. Verpflegungsbetriebe müssen sich gemäß diesen Vorgaben ausrichten.

2        Nachhaltigkeitsstrategien in der Verpflegung

2.1 Herausforderungen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung

Zu nennenswerten Herausforderungen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung gehören erstens die Komplexität und Wechselwirkung der Maßnahmen, die durchaus zu Interessenkonflikten führen können. Zweitens besteht immer die Frage nach der Messbarkeit bzw. Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Förderung von nachhaltiger Entwicklung.  Hierbei sind aussagekräftige Kennzahlen und Indikatoren erforderlich. Diese setzen voraus, dass entsprechende Zahlen, Daten und Fakten zur Verfügung stehen. Beispiele solcher Indikatoren, auf die sich auch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie[9] bezieht, stehen hier zur Verfüg